„Last Christmas“: Auf Spurensuche in den Schweizer Alpen
Mit dem ersten Adventswochenende beginnt offiziell die Vorweihnachtszeit, und damit auch die Zeit für Whams Erfolgstitel „Last Christmas“ (auch wenn das Lied natürlich vorher schon im Radio zu hören ist). Nachdem der Song selber bereits Thema hier im Blog war (nämlich jeweils am 1. Advent 2020 und 2021), hier noch ein paar Infos zur Entstehung des Videos, das für eine Single natürlich gebraucht wurde. Schnell war klar, das Video sollte eine zum Titel des Stücks passende Geschichte in der Weihnachtszeit erzählen. Aber auch das Thema „Urlaub“ aus dem Video zur im Jahr zuvor veröffentlichten Single „Club Tropicana“ sollte wieder aufgegriffen werden. Man brauchte also einen Ort, in dem beides dargestellt werden konnte: Urlaub und Weihnachtszeit – und dafür war natürlich Schnee Voraussetzung. Doch wo bekam man nun im Herbst auf die Schnelle Schnee her? Fündig wurde man in den Schweizer Alpen.
Der Videodreh fand im Schweizer Wintersportort Saas-Fee im Kanton Wallis im Süden der Schweiz statt. Der Ort liegt auf rund 1800 Metern Höhe auf einer Hochebene am Rand des Saastals in den Walliser Alpen und ist von der Mischabel-Bergkette mit insgesamt elf Viertausendern umrahmt. Er gilt als einer der schneesichersten in der Schweiz. Die geographische Lage im Windschatten der Mischabel-Bergkette sorgt für viele Sonnentage.
In diesem Ort also, vorgeschlagen vom Österreicher Arie Bohrer, wurde das Video gedreht. Anders als im ursprünglich für den Videodreh vorgesehen Ort Gstaad im Berner Oberland lag in Saas-Fee bei einer Ortsbesichtigung Ende Oktober bereits Schnee.
Wenig später trafen dann die Filmcrew, die Musiker von Wham! und am Videodreh teilnehmende Freunde sowie weitere Komparsen in Saas-Fee ein. Schon deren Ankunft sorgte wohl für einige verwunderte Blicke. Die Musiker wollten sich in einer Stretch-Limousine vor das 5-Sterne-Hotel „Walliserhof“ fahren lassen, in dem sie einquartiert waren. Saas-Fee ist jedoch seit 1951 autofrei, im Ort selbst verkehren nur Elektromobile. So mussten die Musiker ihre Limousine auf dem Parkplatz am Ortseingang abstellen. Und dann war auch keiner wirklich wintertauglich gekleidet. Sie trugen Halbschuhe, die Frauen teilweise High Heels, so dass es auf dem schneebedeckten Boden zu einigen Ausrutschern kam.
Robert Anthamatten, damals Teenager, hatte die spätabendliche Ankunft der Popstars aus England abgewartet. Er trug den Koffer von George Michael und fuhr mit ihm in den vierten Stock des Hotels. George Michael drückte ihm dafür wohl eine 50-Pence-Münze in die Hand. Später bekam er aber noch ein Autogramm auf seine Skiweste, die seine Mutter aber wenig später in die Altkleidersammlung gab.
Für George Michael und Andrew Ridgeley waren zwei Suiten gebucht. George Michael residierte in der „Adlerhorst-Suite“ mit eigener Sauna und Whirlpool. Für Andrew Ridgeley war nur wichtig, im Hotel möglichst weit weg von George Michael zu wohnen. Das Verhältnis der beiden scheint also zu der Zeit nicht das beste gewesen zu sein.
Die damals 20-jährige Sybille Meyer war Rezeptionistin des „Walliserhofs“ und schwärmte für George Michael. Wann steht schonmal ein international bekannter Popstar vor einem an der Rezeption? Als sie ihn dann aber ungeschminkt und komplett bräunungscremefrei auf dem Hotelflur traf, war er dann doch nicht mehr ihr Traumtyp.
Die Feier- und Urlaubsstimmung aus dem Video übertrug sich offenbar auf die Filmcrew. So wird berichtet, dass zwischen den Drehtagen im Hotel teilweise ausgelassen gefeiert wurde. Das ging soweit, dass einige der Protagonisten und Personal aus dem Tross nach einer wilden Nacht nur mit Schneestiefeln bekleidet über verschneite Balkone hüpften. Hinterher musste das Hotelpersonal immer aufräumen und fischte dabei wohl auch mal Badehosen und Bikinis aus dem Hotelpool. Es muss also teilweise heiß hergegangen sein…
Stefan und Philippe Zurbriggen, damals beide Mitte 20, waren während der Drehtage als Chauffeure gebucht. Philippe Zurbriggen fuhr dabei auch George Michael zum Drehort. Dieser legte wohl immer seine Füße auf das Armaturenbrett und rauchte süßliche Joints. Als Zurbriggen nach mehreren Tagen nach dem Dreh mal mit den Leuten von Wham! im Hotel anstoßen wollte, wurde er von den vor der Tür stehenden Bodyguards abgewiesen: „Kein Zutritt für Fremde“.
Im Video spielt eine Brosche eine nicht unerhebliche Rolle. Sie sollte von Stefan Zurbriggen zum Dreh gebracht werden. Dort war sie dann aber verschwunden. Da sie zum einen für die Geschichte gebraucht wurde und zum anderen ein wertvolles Erbstück gewesen sein soll, begannen mehrere Leute, die Brosche im Schnee zu suchen. Nach längerer Suche wurde sie schließlich direkt vor dem Hotel gefunden.
Das Video beginnt mit einem Schwenk über die Walliser Alpen bei eher trübem Wetter. Da die Zeit für den Dreh knapp bemessen war, das Video musste schließlich für die Veröffentlichung der Single fertig produziert sein, konnte nicht auf sonniges Wetter gewartet werden. Der Schneefall bei einigen der Außenaufnahmen war der Stimmung dagegen durchaus dienlich.
Im Video sieht man zwei Geländewagen die verschneite Straße zur Talstation der Felskinnbahn fahren (ob das Zufall, oder eine bewusste Referenz zum „Club Tropicana“-Video ist, das ebenfalls mit einer solchen Szene beginnt, ist unklar). Für diese Szene bekam das Filmteam eine Sondergenehmigung, um mit den Autos im sonst autofreien Saas-Fee fahren zu können. Aus den Autos steigt unter anderem George Michael mit seiner von der britischen Schauspielerin Debbie Killingback verkörperten Freundin aus. An der Talstation der Seilbahn warten schon mehrere Freunde, darunter Andrew Ridgeley mit seiner Freundin, die vom Modell Kathy Hill dargestellt wird. Nach der Begrüßung geht es mit der Felskinnbahn in die Berge, die in Wirklichkeit von der in etwa 1850 Meter Höhe liegenden Talstation zu der auf knapp 3000 Meter Höhe liegenden Bergstation auf dem von Ausläufern des Feegletschers umgebenen Felskinn verläuft. Die Seilbahn verfügt über zwei Gondeln, die beide auch im Video zu sehen sind. Bis in die 2000er-Jahre war eine der Gondeln rot, die andere blau. Die Felskinnbahn wurde 2006 modernisiert. Dabei wurden auch die beiden Gondeln ersetzt. Die rote Gondel, die am Anfang des Videos zu sehen ist, wurde am Hotel Waldesruh in der Nähe der Talstation der Seilbahn aufgestellt und in ihr ein Imbiss eingerichtet. Auch die blaue Gondel war zumindest zeitweise in der Nähe der Talstation abgestellt.
Im Video sind die damaligen Kabinenführer Erwin Anthamatten (am Anfang in der roten Gondel) und Charly Schmidt (am Ende in der blauen Gondel) zu sehen, übrigens die einzigen Saaser, die im Video zu sehen sind. Für die Aufnahmen musste die Gondel nur ein paar Meter weit fahren, denn die weiteren Aufnahmen wurden an bzw. in zwei Chalets im Ort gedreht und nicht etwa oben in den Bergen, wie das Video glauben lässt.
Bei den Chalets handelt es sich bei den Außenaufnahmen um das Chalet Schliechte und bei den Innenaufnahmen um das Chalet Tita, die sich beide im Ortsteil Wildi befinden. Das Chalet Schliechte liegt an einem Hang, heute allerdings nicht mehr so alleine, wie noch im Video. In unmittelbarer Nähe stehen mittlerweile weitere Holzhütten. Der Zaun, der das Grundstück umgibt, hat natürlich ein Gartentor – trotzdem klettern die Protagonisten im Video immer wieder über den Zaun. Auch die weiteren Aufnahmen im Freien sind hier entstanden. Für die Innenaufnahmen mit der Weihnachtsparty wurde das Chalet Tita genutzt. Das Chalet ist nach ihrer früheren Besitzerin, der Baronin Tita von Oetinger benannt, eine alleinstehende Frau, die dort mit ihren Hunden wohnte und wenige Jahre vor dem Videodreh verstorben war. Das Chalet stand seitdem leer und musste daher erstmal aufgeräumt und gereinigt werden. Hierfür engagierte Stefan Zurbriggen seine Frau Patricia, seine Schwägerin und zwei, drei Hotelmitarbeiter.
Später wurde in dem Chalet das Kulturzentrum Steinmatte eingerichtet. Aus dem Raum, in dem die Weihnachtsparty gedreht wurde, wurde ein nüchterner Seminarraum. Der Weihnachtsbaum, der im Video von den Protagonisten geschmückt wird, war natürlich von Helfern schon geschmückt worden. Auch dabei hatte Robert Anthamatten geholfen.
Die Geschichte im Video ist schnell erzählt: Eine Gruppe von Freunden trifft sich zur Weihnachtszeit für einen gemeinsamen Urlaub in den verschneiten Bergen. Die Hauptdarsteller George Michael und Andrew Ridgeley sind mit ihren jeweiligen Freundinnen angereist (die Verhältnisse der anderen Darsteller zueinander spielt für die Geschichte keine entscheidende Rolle). Im Laufe des Videos wird deutlich, dass die jetzige Freundin von Andrew Ridgeley letztes Weihnachten zumindest kurz die Freundin von George Michael war. Er hatte auf der damaligen Party sein Herz an sie verloren und ihr, wie der Zuschauer in einer Rückblende erfährt, eine Brosche als Zeichen geschenkt – genau die Brosche, die nun Andrew Ridgeley trägt. Die Beziehung hielt allerdings nicht – laut Liedtext nur eine Nacht.
Das Musikvideo selbst ist hier Blog ja bereits mehrfach eingebunden (siehe auch Links oben in diesem Beitrag). Es gibt das Video aber auch mit einigen eingeblendeten Hintergrundinformationen, das 2019 anlässlich des 35-jährigen Jubiläums veröffentlicht wurde.
Weitere Hintergrundinformationen erzählt Andrew Ridgeley in dem ebenfalls 2019 vom britischen Hörfunksender Smooth Radio veröffentlichten Video „The Story of… ‘Last Christmas’ by Wham!“
Hi,
Was für eine tolle Recherchearbeit. Klasse Job.!!!!!!!!!!!
Sehr gute Recherche. Trotzdem ein toller Song
Danke – und gut zu wissen, daß auch “echte” Menschen hier vorbeikommen und nicht nur Bots und Crawler. 😉