Der Sonderzug nach Pankow – ein Stück deutsch-deutscher Geschichte

Bahnanlagen1983 rollte Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ durch die bundesdeutschen Hitparaden. Das Lied, das auf der Melodie von Glen Millers Swing-Klassiker „Chattanooga Choo Choo“ basiert, war als Reaktion auf die Ablehnung von Lindenbergs wiederholt vorgebrachten Wunsch gedacht, in der DDR auftreten zu dürfen.

Der Text des Liedes ist irgendwo zwischen Ironie und Respektlosigkeit – Lindenberg nennt Erich Honecker, den damaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, „Honni“, „Oberindianer“ und „sturen Schrat“, der sich doch selber gerne mal die Lederjacke anziehe und West-Radio höre. Für die SED-Ideologen war klar: Ein Auftritt Lindenbergs in der DDR kommt nicht in Frage.

Im selben Jahr erhielt der westdeutsche Konzertveranstalter Fritz Rau eine Anfrage aus der DDR, ob Harry Belafonte, der u.a. als Friedensaktivist mit sozialistischen Idealen in Erscheinung getreten war, zu einem Friedenskonzert in Ost-Berlin kommen könne. Rau verband die Zusage mit der Bedingung, dass auch Udo Lindenberg bei dem Konzert auftreten dürfe.

Und so kam es doch zum Auftritt Udo Lindenbergs in der DDR: Am 25. Oktober 1983 stand er im Palast der Republik beim Musikfestival „Rock für den Frieden“, das von 1982 bis 1987 jährlich stattfand und u.a. vor dem Hintergrund der politischen Lage mit NATO-Doppelbeschluss und Friedensbewegung in Westeuropa durchgeführt wurde, auf der Bühne, wo er ganze vier Stücke spielen durfte. Im Saal waren 4200 FDJ-Mitglieder, zu einem großen Teil linientreue Jugendliche. Das Konzert wurde zwar zeitversetzt, aber ungekürzt im Fernsehen der DDR übertragen.

Der Auftritt sollte auch noch der Auftakt einer DDR-Tournee im Jahr 1984 werden. Die politischen Äußerungen Lindenbergs und seine Kontaktaufnahme zu den vor dem abgesperrten Palast der Republik versammelten Fans führten aber zur Absage der Tournee. Außerdem erhielt Lindenberg ein Einreiseverbot in die DDR.

Lindenberg ließ aber auch danach nicht locker. 1987 schickte er eine Lederjacke an Erich Honecker und forderte ihn auf, raus auf die Straße zu gehen, die „bunten Kiddys“ zu treffen und mit ihnen „Urbi et Gorbi“ anzustimmen. Vorausgegangen war dem die Krawalle an der Mauer in Ost-Berlin infolge der Popkonzerte „Concert for Berlin“, die am Pfingstwochenende vor dem Reichstag in West-Berlin stattfanden. Auch hier half die politische Lage: Honeckers Staatsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland stand bevor. Und so ließ dieser ein Dankesschreiben verfassen – die Jacke sei zwar Geschmackssache, aber sie passe – und Lindenberg mit den Worten „Viel Spaß beim Üben“ seinerseits eine Schalmei schicken. Während Honeckers Staatsbesuch im September 1987 überreichte Lindenberg ihm dann in Wuppertal eine Gitarre mit der Aufschrift „Gitarren statt Knarren“.

Trotzdem blieb der Auftritt im Palast der Republik der einzige Auftritt Lindenbergs in der DDR vor dem Fall der Mauer. Erst danach tourte er 1990 durch den Osten Deutschland – zu dem Zeitpunkt existierte die DDR zumindest formal noch.

 
Sonderzug nach Pankow
Der Sonderzug nach Pankow fuhr erst viele Jahre später und auch nicht nach Pankow, sondern nach Magdeburg. Dort fanden 2003 die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit statt. Zum abendlichen Konzert, das unter dem Motto „Powern statt Mauern“ stand, reisten Lindenberg und die anderen auftretenden Künstler mit eben diesem Sonderzug an – der auf dem Weg nach Magdeburg bei Barby noch eine aus Styropor errichtete, symbolische „Mauer des lähmenden Pessimismus“ durchbrach.

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